Sonntag, 29. Juli 2007

Alte Liebe rostet nicht: Mit dem "Clubb" nach Hannoi!

19.05.2007: 34. Spieltag der 1. BL: Hannover 96 gegen 1. FC Nürnberg 0:3
Alle gute Auswärtsfahrten beginnen traditionell mit einer Verspätung. Diesmal war aber nicht, wie bei den Waldhof-Spielen üblich, Nicolas an dem erheblich späteren Start schuld, sondern das große, deutsche Unternehmen, das wie kein anderes für Verspätungen und unzufriedene Kunden steht. Die Deutsche Bahn. Meine Reise begann also am frühen Samstagmorgen am Gießener Bahnhof, ein Schmelztiegel der Fankulturen, wie sich auch bei meiner Ankunft am späten Abend nochmals bestätigen sollte. Mit einer satten Stunde Verspätung kam mein Zug Richtung Kassel, was mir die Chance einräumte einen kurzen Smalltalk mit einem etwas minderbemittelten Schalke-Fan zu tätigen und mich über die so typisch gewordenen Mainz-"Fans" zu ärgern: Frauen, den man es auf den ersten Blick ansah, dass sie vor dem Aufstieg des Karnevalsvereins noch nie ein Stadion betreten hatten. Bunt verkleidet, um ja auch zwischen den ganzen Gladbachern, Frankfurtern und Dortmundern am Bahnsteig aufzufallen und mit einer Flasche Billig-Sekt unterm Arm, bestiegen sie gut gelaunt den Zug, obwohl ihr Verein völlig zurecht bereits vorzeitig den Gang in Liga 2 verkraften musste.

Um 9.10Uhr, geschlagene 65Minuten später als geplant, fuhr dann auch mein Zug Richtung Kassel in den Bahnhof ein und meine 90minütige Zugfahrt konnte beginnen. In Kassel war ich dann mit einem ehemaligen Zivi-Kollegen und seiner Auswärtsfirma verabredet, die mich von dort aus mit in ihrem Opel Corsa in Richtung niedersächsischer Hauptstadt mitnahmen. Da meine Mitstreiter anscheinend schon etwas länger auf den Beinen waren, beschloss man gleich in Kassel noch einen Burger King zu besuchen. Neben dem gewohnt guten Essen belustigte uns dabei auch eine defekte Eismaschine, die die Schokoladensoße für selbiges im gesamten Thekenbereich verteilte und bei den Angestellten nur ratlose Gesichter hinterließ.

Die restliche Autofahrt von annähernd drei Stunden verbrachten wir mit dem intensiven Studieren der einschlägigen Fachliteratur, das gemeinsame Verdammen von finanziell aufgepumpten Dorfklubs a la Hoffenheim und Wolfsburg und dem Austausch der neuesten Informationen aus der Oberliga Baden-Württemberg. Ein Highlight der Hinfahrt war der ca. 10km lange Stau kurz vor Hannover, bei dem ich die Bundesliga-Fahrer in die hohe Kunst des Schiebedach-Posens eingeweiht habe, was auch bei den uns umgebenden Autos und Bussen aus Franken für positive Stimmung sorgte. Gelegentlich wurden auch einige Nettigkeiten mit vorbeifahrenden Kaiserslautern- und Wolfsburgfans ausgetauscht; aufgrund meiner rhetorischen Fähigkeiten konnte die verbalen Duelle eindeutig als Sieg meinerseits ausgelegt werden. Ein Dank gilt den anderen Clubfans, die uns im Stau aus dem fahrende Auto heraus mit alkoholische Getränken beschenkt hatten und als Gegenleistung unsere Kicker-Literatur bekamen.

Pünktlich um viertel vor drei in Hannoi angekommen begann das eigentliche Zittern für mich. Ich hatte im Gegensatz zu den anderen noch keine Eintrittskarte für das bereits ausverkaufte Spiel, doch dank eines anderen Zivi-Kollegen wurde mir eine Karte versprochen, die bei einem Fanclub übrig geblieben ist. (Danke Hübi für die Vermittlung). Das Warten auf die Karte gestaltete sich allerdings als reine Nervensache, denn aufgrund des schon erwähnten Staus, erreichte der Bus erst mit dem Anpfiff das Stadiongelände.

15:30: Endlich hatte ich meine Karte, zwar Sitzplatz da der Stehplatzblock restlos überfüllt war, aber die Preise im WM-Stadion sind doch im Vergleich zu anderen Stadien absolut in Ordnung. Und wie es der Zufall wollte, befand sich mein Platz auch direkt in der gleichen Reihe von meinen Mitstreitern. Nach anfänglichen Beschwerden unserer Hintermänner wurden die Sitzplätze erfolgreich zu Stehplätzen umfunktioniert, was auch an der attraktiven Spielweise der Gäste lag. Zwar konnte in der ersten Halbzeit keine klare Überlegenheit herausgespielt werden und man musste auch zufrieden sein, dass die Niedersachsen nicht ihre gelegentliche Torversuche nutzen konnten.

Die zweite und damit auch letzte Halbzeit der Saison konnte die Meyer-Elf aber genau so überzeugend gestalten, wie der erste Saisonauftritt in Stuttgart. Fußballgott Marek Mintal, Marco Engelhardt und Ivica Banovic sicherten einen ungefährdeten 3:0 Auswärtssieg. Die Stimmung im Nürnberg-Block war dementsprechend überragend, man feierte eine absolut gelungene Saison und das Highlight lag ja noch vor ihnen. Und so wurde über 90 Minuten der DFB-Pokaleinzug und die damit verbundene Qualifikation für den UEFA-Cup (warum können sich die Bayern denn nicht so über den UEFA-Cup freuen?) gefeiert. Einzig die Stimmung auf den Sitzplätzen war ab und zu ausbaufähig, im Vergleich zu den Hannoveranern aber überlegen.

Die Braunschweiger Vorstädter hatten anscheinend an diesem Tag ein Familienfest im Stadion, jedenfalls konnte man den Eindruck gewinnen, denn wenn den Spielern der Heimmannschaft eine Torchance gelang, schallte das „Gekreische“ des Kinderchors durch die ausverkaufte Arena. Es wurden wohl einige tausend Freikarten an die lokalen Jugendvereine verteilt, was den durchschnittlichen optischen Auftritt der 96-Fans zusätzlich verschlechterte. Spielerisch hat sich der Ausflug nach Niedersachsen aber jedenfalls gelohnt. Erstaunend ist die positive Entwicklung der Nürnberger unter Hans Meyer, nicht zu vergleichen mit meinen ersten Club-Spielen zwei Jahre zuvor, als gerade einmal 13.000 Zuschauer das Pokalspiel gegen Dresden verfolgten. Nächstes Jahr geht es also, man hätte es zu meiner Zivildienstzeit noch nicht für möglich gehalten, ab Herbst in europäische Stadien und ich hoffe, dass mir mein Terminkalender und mein Geldbeutel wieder eine interessante und abwechslungsreiche Auswärtsfahrt mit den Nürnbergern ermöglichen.

Zum Schluss möchte ich noch dem Fahrer Steini Dank sagen, der es mir, aufgrund seiner teilweise „rücksichtslosen“ Fahrweise auf der Rückfahrt, ermöglichte, den Zug in Kassel rechtzeitig zu erreichen. Dies ersparte mir eine zweistündige Wartezeit in der doch wenig attraktiven nordhessischen Metropole und ich konnte abends doch noch auf eine WG-Party in Gießen gehen und dort ein Bier genießen. Außerdem stand am Tag darauf ja bereits der nächste Spielbesuch an, bei dem die befreundeten und bereits hoffnungslos abgestiegenen Braunschweiger auf die Frankfurter Vorstädter trafen. In der (momentanen) Zweit-Heimat angekommen, wurde ich noch aufgrund meines Nürnberg T-Shirts von ein paar Frankfurtern angepöbelt, die sich grad mit Dortmundern eine lautstarke Diskussion lieferten. Das war mir ein wenig unangenehm, da ich selbst ja auch eine sehr gute Beziehung zur Eintracht habe, aber wenigstens hinderte der Alkoholpegel der Main-Städter sie daran, mir irgendwie böse zu kommen.

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