Sonntag, 9. September 2007

Erfolg verdirbt die Fankultur

25.08.2007: 3. Spieltag 1.Bundesliga: 1.FC Nürnberg gegen SV Werder Bremen 0:1
„Wer spontan ist, hat im Leben auch mehr Spaß.“ Unter diesem Motto kann man wohl den Trip in die fränkische Hauptstadt beschreiben, denn lang voraus geplante Besuche sind ja langweilig. Und so beginnt die Vorgeschichte knappe 15 Stunden vor Spielbeginn des Spitzenspiels zwischen Pokalsieger und dem Champions-League-Qualifikanten. Es war Freitagabend gegen halb 1 auf einem schäbigen Autobahnparkplatz irgendwo zwischen Nöttingen und Bonlanden. Der Waldhof hat uns gerade mal wieder den letzten Nerv geraubt und den schönen Sport Fußball bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Doch wer meint, dass uns das nach all den Jahren noch schockieren könnte, der kennt unser masochistisches Durchhaltevermögen noch nicht. Außerdem wollte man zum einen nicht dieses Wochenende mit einem derartigen Negativerlebnis vorüberziehen lassen, zum anderen ekelte uns die Vorstellung, samstags nun nur noch vor dem heimischen Premiere-Decoder zu faulenzen und sich bei der stupiden Berichterstattung über abgesonderte Körperdüfte lustig zu machen.
Für die Realisierung unsere nächtlichen Wahnsinnsidee kam uns entgegen, dass „de Maddin“, wie ich Mareks Vater in seiner Abwesenheit gern nenne, uns einen überdurchschnittlich gut gefüllten Tank zur Verfügung gestellt hatte und sich dadurch die Ausgaben erträglich gestalteten, schließlich waren wir an diesem Tag nur zu zweit unterwegs. Die anderen Freunde konnten nicht für Besuch im Max-Morlock-Stadion begeistert werden, vielleicht hatten sie auch einfach Angst keine Karten mehr zu bekommen.
Nun gut aber zum einen steht Qualität über Quantität und zum anderen versprach der Tag auch so sehr unterhaltsam zu werden. Die „Zwei-Mann-Armee“ bestehen aus „Rod“ und „Thommy“ trat vormittags die 240 km lange Reise an, wobei Marek diesmal auf Bier verzichten musste, da er ausnahmsweise als Fahrer vorgesehen war. Aber auch so blieb das Bier erstmal das vorherrschende Thema, zuerst wurde nämlich die alte Zivistelle und der benachbarte Getränkemarkt angepeilt, um für einen Geburtstag am späteren Abend das passende Präsent mitbringen zu können. Und wenn man schon mal alte Erinnerungen auffrischt kam Marek auch gleich noch in den Genuss des besten Döners auf der Welt, beim Harput in der Allersberger Straße (Nein ich bekomme kein Geld für die Schleichwerbung).
Was bei unseren sonstigen Auswärtsspielen leider viel zu kurz kommt, ist der „kulturelle“ Teil, aber ich behaupte einfach ganz dreist, dass in Schwieberdingen, Nöttingen und Gmünd die Sehenswürdigkeiten sehr rar sind. Nicht so in des Führers Schatzkiste. Nachdem wir zum Glück noch einige „Restkarten mit Sichtbehinderung“ ergattern konnten, musste ich natürlich meinem Genossen unter Beweis stellen, warum ich seit meiner Zivizeit so von dieser Stadt schwärme. Zu Beginn wurde zwar einige Male Unbehagen geäußert, vor allem weil der durchschnittlich durchtrainierte Mannheimer es nicht gewohnt ist, kleinere Steigungen auch zu Fuß zu bewältigen. Zwar ist die Nürnberger Innenstadt nicht so ebenerdig wie die heimischen „Planken“ und auch die Kopfschmerzen vom Vortag, als Resultat von viel Bier und Polizeiprügel verlangten ihm einiges ab, wurden am Ende aber mit dem schönen Ausblick von der Burg über die gesamte Altstadt entschädigt. Leider kam aufgrund des Zeitmangels das weitere Kulturprogramm viel zu kurz, aber der Hauptmarkt als legendäre Stätte an der die Engländer in 10 Minuten das gesamte Bier leer tranken lag zum Glück auf dem Weg zur U- und S-Bahn, die uns pünktlich zu Spielbeginn Richtung Dutzendteich brachte.
Als wir dann unsere Plätze einnahmen waren wir erstmal überrascht und fragten uns, worin genau die Sichtbehinderung bestand, durch die wir 7 Euro sparten. Man konnte, obwohl man im Stadion direkt neben den Bremen-Fans platziert war nicht einmal von einer Lärmbelästigung sprechen, da sich diese wieder einmal sehr passiv präsentierten. Die andere Überraschung war da wesentlich schlimmerer Natur: Als Ich noch vor zwei Jahren beim „Club“ war, wiesen die spärlich besetzten Ränge oft noch große Lücken auf, besonders das Pokalspiel gegen Dynamo Dresden interessierte damals lediglich 13.000 Zuschauer. Wenn ich nun in ein fast ausverkauftes Morlock-Stadion gehe, stellt sich natürlich die Frage wo diese Leute damals gewesen waren.
Aber anscheinend hatten diese Erfolgsfans selbst ein schlechtes Gewissen, denn diesmal klatschten sie wie verrückt die neuerdings so beliebten „Klatsch-Falt-Dinger“ ,die ein lokaler Sponsor bereitstellte, aneinander, als wollten sie die letzten Jahre vernachlässigter Liebe zum Verein nachholen. Naja, schön für den der noch zwei gesunde Hände und eine laute Stimme zur Unterstützung hat. Auch die wahren Fans aus der Kurve teilten zu Spielbeginn meine Meinung mithilfe eines Spruchbandes: “Gebietet dem modernen Fußball Einhalt, Fankultur benötigt keine Sponsoren!“ Auch während dem Spiel war von der gegenüberliegenden Heimkurve mehr zu vernehmen als von den 10 Meter entfernten Hansestädtern.
Das Spiel gestaltete sich dagegen in der ersten Hälfte sehr ausgeglichen und konnte zwei entwöhnte Oberliga-Fans durchaus begeistern. Leider übernahmen in der zweiten Hälfte die Gäste zunehmend die Kontrolle, immer angetrieben von dem ach so genialen Diego, der wohl nur in Deutschland zaubern kann, weil er ihr bei jeder Berührung einen Freistoß gepfiffen bekommt. Nicht auszudenken wenn so ein Spieler in England gegen Terry, Lampard oder Rooney spielen müsste. Jedenfalls gelang es den Bremern dann noch, wohl auch verdient, durch ein Tor eines jungen Eigengewächses das Spiel für sich zu entscheiden. Trotzdem war es wieder einmal ein schöner Samstag, natürlich auch wegen dem ganzen Drumherum und den alten Erinnerungen die aufgefrischt wurden. Nach dem Vorabend konnten wir auch einfach mal zufrieden sein, nicht von Polizisten dumm angepöbelt und mit Schlagstöcken gepeinigt zu werden. Bleibt die obligatorische Frage: „Was it really worth it, Johnson?“ – „Oh yes, it fucking was!“

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